Rustaceans auf der Troizki-Linie

Troitsky Edgecases

Das Ergebnis eines der einfachsten Endspiele im Schach ist auf den ersten Blick recht überraschend: ein König mit zwei Springern kann einen einsamen König nicht forciert mattsetzen.

König und zwei Springer gegen König (weiß: Kf2, Se4, Sf3, schwarz: Kh1)
Weiß am Zug könnte mattsetzen, doch diese Stellung ist nur forcierbar, wenn der Springer auf e4 zuvor auf g5 stand (und somit das Fluchtfeld h3 deckte). Das bedeutet: nun ist Schwarz am Zug - und patt.

Doch gibt man der schwächeren Seite einen Bauern, sieht die Sache plötzlich anders aus. Denn der Bauer verhindert in manchen Fällen das oben dargestellte Pattmotiv, da er sich noch bewegen kann.

Wann genau der zusätzliche Bauer zum Verlust führt, das hat der russische Schachtheoretiker Alexei Alexejewitsch Troizki schon 1906 untersucht. Nach ihm ist die Troizki-Linie benannt (siehe Titelbild). In den meisten Lehrbüchern wird diese wie folgt erklärt: "Weiß gewinnt, wenn Schwarz seinen Bauern höchstens auf ein Feld der Troizki-Linie vorgestoßen hat und der Bauer von einem weißen Springer blockiert wird, der nicht vertrieben werden kann."

Ich wollte diese Regel überprüfen. Dazu schrieb ich ein Programm in Rust unter Verwendung der shakmaty-Bibliothek. Das Programm stellt auf jedes mögliche Feld einen Bauern, davor einen Springer und davor einen König und platziert dann den zweiten Springer und den gegnerischen König auf allen möglichen anderen Feldern. Durch Abfrage der Syzgy-Tablebase lässt sich dann blitzschnell ermitteln, ob die Stellung gewonnen oder Remis ist. Ist die Stellung Remis und der Bauer noch vor oder auf der Troizki-Linie, so wird die Stellung als interessant markiert. Nach etwa eine Minute wurden mir so alle Positionen ausgegeben, in denen eine starre Auslegung der Regel zur Troizki-Linie ein falsches Ergebnis liefern würde.

Die erste Erkenntnis: die Analyse von Troizki war für die damalige Zeit genial.

Die zweite: einen kleinen Nachsatz sollte man noch an die bisherige Erklärung der Troizki-Linie anfügen, nämlich: "... und wenn der zweite Springer nicht eingesperrt werden kann". Vermutlich war diese Anmerkung den Theoretikern einfach zu offensichtlich.

Weiß: Kb5, Sb6, Sd8; Schwarz: Ke5, b7
Schwarz am Zug remisiert mit Kf6, obwohl der schwarze Bauer noch nicht einmal auf der Troizki-Linie steht.

Weiß: Kc4, Sc5, Sh1; Schwarz: Kf4, c6
Schwarz am Zug remisiert mit Kf3, obwohl der Bauer auch hier die Troizki-Linie noch nicht erreicht hat und sich die Springer gegenseitig decken können.

Kurios ist auch folgende Stellung:

Weiß: Kc5, Sc6, Sa8; Schwarz: Ka1, c7
Der schwarze Bauer steht noch zwei Felder vor der Troizki-Linie, Weiß kann aber den Springer auf a8 nie ins Spiel bringen, denn die Stellung ist effektiv Remis, sobald der Bauer geschlagen wird.